Zeichen
Meine Arbeit der letzten 10 Jahre besteht aus Zeichen, die sich jeglicher Deutung entziehen. Zeichen als Konzeptarbeit, entgegen den klassischen Semiotik-Theorien, die davon ausgehen, dass ein Zeichen dazu dient, «etwas zu bezeichnen, auszudrücken oder zu behaupten» 1), dass eine «Beziehung zwischen Bezeichnetem und Bezeichnendem» 2) bestehen muss, und «als etwas aufgefasst werden kann, das für etwas anderes steht»3).
In der Theorien-Vielfalt befasst sich die ästhetische Semiotik auch mit Zeichen ohne Bedeutung. Elize Bisanz schreibt in ihrem Buch über semiotische Zugänge zur Abstraktion: «Malerei als écriture wird zum amorphen Zeichen: es gibt keine eindeutige Interpretation des abstrakten Gemäldes, die Bedeutungen entstehen im Lektüreprozess und verändern sich mit der Veränderung der Zeit, des Raums und des Betrachters»4).
Ohne das Zulassen von Regeln und Symbolik, also Zeichen ohne Möglichkeit des Verstehens, führt das zu nicht bekannten und nicht deutbaren Formen. Und deren Interpretation bleibt allein der Wahrnehmung der Betrachter*innen überlassen. Die unbegrenzte Lesart ästhetischer Zeichen hat zur Folge, dass immer andere und neue Perspektiven des Verstehens möglich sind und damit die Logik unserer alltäglichen Verständnisweisen durchbrochen wird.
Die Idee meiner Zeichen ist entstanden, um die Möglichkeiten einer Nicht-Deutbarkeit zu erkunden. Und um zu zeigen, dass unsere Wahrnehmung dadurch gekennzeichnet ist, für das Wahrgenommene immer auch Erklärungen zu erwarten. Fehlen die kognitiven Möglichkeiten, kreieren wir Geschichten entgegen von Wissen.
Meine nicht deutbaren Zeichen sollen dazu beitragen, das Nicht-Wissen-Können zu akzeptieren. Unsere Wahrnehmung beschreibt immer nur einen bestimmten Moment, der auch ganz anders interpretiert werden könnte. Das Nicht-Wissen-Können erweitert den Horizont unseres Denkens weit mehr als eine Illusion eines grossen, umfassenden Wissens. Was ausserhalb unserer Möglichkeiten des Denkens liegt, sollten wir dort liegen lassen und nicht der Versuchung verfallen, es durch Erfundenes zu ersetzen.
1) Gottlob Frege, 1848 – 1925, Deutscher, Logiker Mathematiker und Philosoph; schuf wesentliche Grundlagen der linguistischen Semantik.
2) Fernand de Saussure, 1857 – 1913, Schweizer, Sprachwissenschaftler; hat den Strukturalismus und die Semiotik nachhaltig geprägt.
3) Umberto Eco, 1932 – 2016, Italiener, Schriftsteller, Philosoph, Medienwissenschaftler; einer der bekanntesten zeitgenössischen Semiotiker.
4) Elize Bisanz, Prof. Dr., deutsche Kulturwissenschaftlerin, Autorin von «Malerei als écriture — Semiotische Zugänge zur Abstraktion», 2002.